Freiräume

Gericht entscheidet: Kinderladen Conni eV bleibt offen.

16. März 2024 - 09:00 Uhr

Seit mittlerweile drei Monaten sollte der Kinderladen Conni e.V. nach dem Willen des Landesjugendamtes Sachsen (LJA) geschlossen sein. Am 19. Dezember hatte das Amt dem Träger dazu einen Bescheid zugestellt, mit sofortiger Wirkung. Dagegen ging der Verein mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht Dresden (VG) vor. So wurde die Schließung bis zu einem Gerichtsbeschluss aufgeschoben, eine inhaltliche Hautpverhandlung steht noch aus. 

Ob es zu dieser aber überhaupt kommen wird, ist nach dem Beschluss des VG vom Freitag, dem 8. März, allerdings fraglich. Denn, es lässt sich nicht anders formulieren: das zwölfseitige Schreiben ist eine Ohrfeige für das LJA. 

Rechte Diskursverschiebung.

Bisher bekannt war, dass der Conni e.V. einen Betreuungsvertrag mit einem Elternpaar aufgelöst hatte, weil im Gesamtkonzept des Hauses die Anwesenheit und Beteilligung von Polizist*innen in den Vereinsstrukturen nicht gewünscht ist. Das Gericht schildert den Hergang noch etwas detaillierter, unter anderem war ein Hausverbot gegen den Vater und Polizisten ausgesprochen worden. Später habe es dann einen Gesprächstermin und die beiderseits gewünschte Auflösung des Betreungsvertrages gegeben. 

Das LJA leitete aus dem Vorgehen des Vereins ab, er lehne das Gewaltmonopol des Staates und darüber hinaus die freiheitlich-demokratische Grundordnung ab. Dazu legte man Erkenntnisse aus dem Internetauftritt und dem sächsischen Verfassungsschutzbericht vor. Außerdem stelle die Vertragsauflösung einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, also eine Diskriminierung dar. Um sich außergerichtlich zu einigen, hat das Amt außerdem noch eine Klausel zum Ausschluss extremistischer Gruppen und Kooperationspartner:innen im Kinderladen vorgelegt. 

Es ist das kleine Ein-mal-Eins rechter Diffamierung gegen linke Vereine, welche das Amt hier vorlegt. Der Rückgriff auf Verfassungsschutzberichte, die weder inhaltlich hinterfragt, noch in ihrem Wahrheitsgehalt umfassend überprüfbar sind; die Reinterpretation eines Antidiskriminierungsgesetzes zum Angriff auf Orte, die sich seit Jahren gegen Diskriminierung und menschenverachtende Einstellungen positionieren; die Diffamierung unliebsamer Akteur:innen mittels Extremismusdoktrin und die Verpflichtung zur Bespitzelung derselben mittels Klauseln – all das wird seit Jahren immer wieder abgespult, wenn konservative Kräfte gegen antifaschistische und linke Initiativen zu Felde ziehen. 

Der Verfassungsschutz ist keinesfalls eine zuverlässige Quelle für die politische Auseinandersetzung. Er hat eine eigene Agenda, die selten aus dem Schutz der Demokratie in der Bundesrepublik, sondern viel häufiger in ihrer Hintertreibung und Untergrabung durch rechte Kräfte besteht. Wer hat den NSU vertuscht? Wer hat die AfD beraten? Wer hat die NPD durch V-Leute finanziert und gibt bis heute rechte Strukturen an rechte Strukturen? Es sei nur nochmal daran erinnert, dass ein ehemaliger Präsident dieses Amtes nur wenige Jahre nach seinem Abgang als Rechtsradikaler durch die BRD tourt, rechte völkische und antisemitische Verschwörungsideologien verbreitet und die Demokratie in der aktuellen Form abschaffen will. 

Podcast der Humanistischen Union: „Bürgerrechte aktuell“ – Folge 2: Warum muss der Verfassungsschutz abgeschafft werden?

Entsprechend beschwert sich die Sprecherin des AZ Conni Leo Samt in der Pressemitteilung zum Bescheid über die vorgelegte Klausel, welche den Verein verpflichtet hätte Kooperationspartner:innen auf Verfassungstreue zu prüfen: „Das LJA hintertreibt unsere politische Unabhängigkeit massiv. Staatliche Förderung, das wurde in der Vergangenheit bereits gerichtlich beschieden, ist nicht an solche Bekenntniszwänge geknüpft und sollte das auch in Zukunft nicht sein.“ 

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hat zum Ziel Diskriminierung aufgrund rassistischer Zuschreibungen, aufgrund des Geschlechts oder auch aufgrund von Behinderungen zu verhindern. Schon die ersten Seiten des Gesetzes zeigen, dass Polizist:innen hier nicht gemeint sind. Sie üben einen der am meisten anerkannten Berufe aus, qua Gesetz im Sinne der Mehrheitsgesellschaft. Diskriminierung hingegen wird mehrheitlich – das wird im rechten Kulturkampf gern wissentlich unterschlagen – von Vertreter:innen gesellschaftlicher Mehrheiten ausgeübt: cis-Männer, weiße Menschen, Christ:innen. Dieses Machtgefälle zwischen denen, die angegriffen werden und über wenig gesellschaftliche Ressourcen verfügen und denen, die angreifen und dabei die (stillschweigende) Akzeptanz der Mehrheitsgesellschaft im Rücken haben, ist konstituierend für Diskriminierung. Ein linker Verein kann unfreundlich und geringschätzend mit Polizist:innen umgehen, aber er kann sie nicht diskriminieren.

„Ermangelung einer konkreten Kindeswohlgefährdung“

Glücklicherweise sieht auch das VG ernsthafte Lücken in den Darstellungen des LJA. Eine Klärung über die Inhalte der Jugendarbeit mit deren Konzeption der Conni e.V. einen Ausschluss der betroffenen Familie begründe, liege letztlich beim Jugendamt Dresden und werde vom Gericht nicht entschieden. Allerdings habe der Träger schlüssig dargestellt, was die Konzeption beinhalte und das eine räumliche Trennung zwischen Kita und Jugendarbeit bestehe. Außerdem bestehe das Angebot in seiner jetzigen Form bereits über 20 Jahre, ohne Beschwerden. „In Ermangelung einer konkreten Kindeswohlgefährdung wiegt das öffentliche Interesse nicht schwer.“, urteilte dass Gericht.

Auch die Unterstellung, der Verein würde aufgrund seiner Wertebasis den Vorschriften des Gesetzes über Kindertagesbetreuung (SächsKitaG), nicht gerecht, da den Kindern Präventionsangebote durch die Polizei vorenthalten werde, wies das VG zurück. Es handele sich bei dem Bildungsplan um eine Orientierungshilfe und keine Liste zur Abarbeitung. 

Weiter geht der Beschluss auch auf Ausführungen zu Erkenntnissen aus dem Internetauftritt des Alternativen Zentrum Conni ein. Das LJA beklagte dort ein Plakat mit der Aufschrift „No Nazis, No Cops!“, als eine Gleichsetzung der beiden Gruppen. Es handele sich hier eindeutig um eine Äußerung, welche von der Freiheit zur Meinungsäußerung gedeckt sei und im Sinne der angesprochenen Problematik innerhalb der Jugendarbeit zu verstehen sei. Die vorgelegte Extremismuskausel – genannt Demokratieerklärung – wird ebenfalls knapp und eindeutig behandelt: es gäbe keine rechtliche Verpflichtung zur Unterzeichnung dieser und das VG habe schon in der Vergangenheit ähnliche Dokumente für rechtswidrig befunden. 

Kinderladen bleibt offen.  

Die große Frage ist nun, wie es weiter gehen wird. Beide Seiten haben die Möglichkeit gegen den Bescheid vorzugehen. Danach könnte es dann zu einer Hauptverhandlung kommen. In einer Pressemitteilung des Conni e.V. heißt es, „Wir stehen einer schnellen Klärung des Konfliktes mit dem Amt weiterhin offen gegenüber.“ Verständlicherweise will der Verein Ruhe in die Problematik bekommen. Wie sieht es hingegen auf Seiten des Amtes aus? 

Auf Anfrage von addn.me erklärte das LJA lediglich, man prüfe aktuell den Bescheid. Der Kinderladen hat erst einmal weiter geöffnet. 26 Kinder werden hier von ihren nun etwas beruhigten Eltern einem Verein täglich überantwortet, der ihr Kindeswohl nicht zu gefährden scheint, zumindest nicht so akut, dass ein Gericht eine sofortige Schließung für notwendig hält. Und auch die Jugendarbeit geht ihren gewohnten Gang: am kommenden Sonntag steht passend zur Thematik ein „Solidinner“ mit der Kooperative gegen Polizeigewalt, anlässlich des 15. März, dem „Internationalen Tag gegen Polizeigewalt“ an. 


Veröffentlicht am 16. März 2024 um 09:00 Uhr von Redaktion in Freiräume

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